Straflosigkeit im Fall Jean-Claude Duvalier – „Ein schwarzer Tag für Haiti und für Gerechtigkeit”

Haitis Justizbehörden haben den Opfern des ehemaligen Staatschefs Jean-Claude Duvalier einen weiteren Schlag verpasst, sagte Amnesty International heute, nachdem die Strafanzeige gegen den ehemaligen „Präsidenten auf Lebenszeit“ wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen fallen gelassen wurde.

Der untersuchende Richter kündigte gestern in Port-au-Prince an, dass Jean-Claude „Baby Doc“ Duvalier nicht für mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit – inklusive Folter, Verschwindenlassen und extralegale Hinrichtungen – vor Gericht gestellt werde, sondern lediglich wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder während seiner Herrschaft von 1971 bis 1986.

Der Text der richterlichen Entscheidung wurde nicht veröffentlicht.

Gegen Jean-Claude Duvalier laufen Untersuchungen in Haiti, seit er im Januar 2011 aus dem Exil in Frankreich zurück kehrte, woraufhin eine Gruppe von Opfern Beschwerden eingereicht hatten, die ihn der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezichtigen, sowie der Korruption und des Diebstahls.

Die Opfer können gegen die Entscheidung des Richters in Berufung gehen.

„Die Schlussfolgerung der Scheinuntersuchung gegen Duvalier ist eine Schande und wird die Straflosigkeit in Haiti nur weiter vertiefen. Es wurde trotz der zahlreichen Anzeigen und üppiger Beweise zu den begangenen Verbrechen und den Opfern, kein ernstzunehmender Versuch unternommen, die Wahrheit herauszufinden“, sagte Javier Zúñiga, Sonderberater von Amnesty International, der die Verbrechen unter Jean-Claude Duvalier in den 1980ern untersuchte.

“Die Handvoll von Opfern die befragt wurden, waren Einschüchterungsversuchen von Duvaliers Anhängern und Anwälten ausgesetzt. Es ist offensichtlich, dass der Untersuchungsrichter wertvolle Beweise nicht berücksichtigt hat und entschieden hat, nicht alle Opfer zu befragen, die Anzeige erstattet hatten. Dies ist ein schwarzer Tag für Haiti und für Gerechtigkeit“.

“Frankreich war für Duvalier 25 Jahre lang ein sicherer Hafen von dem er profitiert hat bevor er nach Haiti zurück kehrte, wo es die Behörden versäumt haben, ihn für die Verbrechen, die während seiner Herrschaft von seinen Untergebenen begangen wurden, zur Verantwortung zu ziehen“.

Im Januar 2011 hat Amnesty International ausführliche Dokumentationen zu den schweren Menschenrechtsverletzungen, die unter Duvalier begangen wurden, vorgelegt, von denen jedoch keine von dem Richter berücksichtigt wurde.

Nach internationalem Recht sind Folter, gewaltsames Verschwindenlassen, extralegale Hinrichtungen und willkürliche Festnahmen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wenn sie als Teil eines systematischen oder weit verbreiteten Angriffs auf die Zivilbevölkerung begangen werden.

Für Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten keine Verjährungsklauseln und keine Amnestien für die mutmaßlichen Täter, auch wenn sie ehemalige Staatschefs sind.

Amnesty International hat Besorgnis darüber ausgedrückt, dass der gegenwärtigen haitianischen Regierung der Wille fehlt, Duvalier der Gerechtigkeit zu überführen.

„Jüngste öffentliche Stellungnahmen von Präsident Martelly deuteten auf eine Begnadigung Duvaliers hin. Dies könnte ein unakzeptables Maß an Druck und Einmischung in die Untersuchung bedeuten. Dass Jean-Claude Duvalier zur Teilnahme an öffentlichen, offiziellen Zeremonien eingeladen wurde zeigte deutlich, dass die Regierung Duvalier lieber rehabilitieren als zur Verantwortung ziehen wollte“ sagte Javier Zúñiga.

Haiti ist darin gescheitert seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen alle Vorwürfe von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu untersuchen und die Verantwortlichen der Gerechtigkeit zu überführen. Die Opfer warteten bereits seit über 25 Jahren auf Gerechtigkeit und die heutige Entscheidung ist ein großer Rückschritt für sie und alle Haitianer. Aber dies ist nicht das Ende des Weges – wir werden die Opfer im Berufungsprozess weiterhin unterstützen, in internationalen Instanzen wenn nötig“.