Nachbeben: Frauen erheben die Stimme gegen sexuelle Gewalt in Haitis Camps

Mädchen und Frauen in Haiti sind auch ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben nicht sicher. So geht es aus einem kürzlich veröffentlichen Bericht von Amnesty International hervor.

Das Erdbeben vom Januar 2010 hat Haiti zerstört. Vom UN-Generalsekretär als „eine der größten, schlimmsten Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte“ beschrieben, hat das Erdbeben eine humanitäre Krise nach sich gezogen, die beispielloses internationales Handeln erfordert.

Über 230.000 Menschen starben und 300.000 weitere wurden verletzt. Große Teile von Port-au-Prince und anderer Städte liegen in Ruinen und fast 2 Millionen Menschen wurden obdachlos.

Ein Jahr später leben mehr als 1.050.000 Menschen noch immer in den 1.199 Zeltstädten, die im Großraum Port-au-Prince und im Süden des Landes aus dem Boden gestampft wurden. Die meisten sind informelle Siedlungen, die unmittelbar nach dem Erdbeben entstanden, als Überlebende aus ihren zerstörten Häusern flohen. Die Lebensbedingungen in den meisten Camps sind erschreckend. In vielen Fällen verstärken die Camps die weitreichende Armut, Ungleichheit und soziale Ausgrenzung, die das Leben der marginalisierten Bevölkerungsgruppen schon seit Jahren bestimmten.

Das Erdbeben hat auch Regierungsgebäude und die staatliche Infrastruktur in der gesamten Hauptstadt zerstört und damit die Fähigkeit des Staates zunichte gemacht, auf den Notfall zu reagieren oder eine Führungsrolle in der Koordination der humanitären Hilfe zu übernehmen. Polizeistationen, Gerichtsgebäude, administrative Büros, Kliniken und Krankenhäuser wurden dem Erdboden gleich gemacht oder schwer beschädigt. Die internationale Gemeinschaft ist zügig eingeschritten um diese Lücke zu füllen und obwohl bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Krise Koordinierungsprobleme deutlich wurden, hat sie über die Monate geholfen, einige wichtige Dienstleistungen wieder herzustellen.

Während jedoch viele Bemühungen in den Versuch investiert wurden, den Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung, Nahrung und Wasser sicherzustellen, wurde dem ebenso wichtigen Recht von Frauen und Mädchen, vor sexueller Gewalt geschützt zu werden, nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Sexuelle, und andere Formen geschlechterbasierter Gewalt waren in Haiti bereits vor dem 12. Januar 2010 weit verbreitet, doch das Erdbeben hat die wenigen Schutzmechanismen, die existierten, zerstört. Frauen und Mädchen, die bereits, mit dem Leid und Trauma kämpfen müssen, ihre Angehörigen, Häuser und Lebensgrundlagen im Erdbeben verloren zu haben, leben mit der konstanten Bedrohung sexueller Gewalt in Camps und Zelten, die keine Sicherheit bieten.

Haitis neue Regierung, die der Verfassung zufolge Anfang Februar 2011 ihr Amt antreten sollte, wird eine andauernde humanitäre und Menschenrechtskrise erben.

Nicht nur warnen viele Organisationen vor sich verschlimmernden Lebensbedingungen und Unsicherheit in den Camps; der Ausbruch der Cholera, die sich in den Camps ausbreitet, erschwert eine ohnehin komplexe Situation zusätzlich.

In diesem Kontext veröffentliche Amnesty International letzte Woche den Bericht „Aftershocks: Women speak out against sexual violence in Haiti’s Camps“, der heute auf einer Pressekonferenz in Port-au-Prince vorgestellt wurde. In diesem Bericht kommen Frauen zu Wort, die in der Folge des Erdbebens Opfer geschlechterbasierter Gewalt wurden.

Amnesty International ruft die neue Regierung Haitis dazu auf, einen umfassenden Plan voranzutreiben, um die Binnenflüchtlinge angemessen zu unterstützen und die Bedürfnisse der Bevölkerung in den Camps entsprechend anzugehen und sicherzustellen, dass ihre Rechte gewahrt werden. Im Besonderen muss die neue Regierung sicherstellen, dass ein umfassender Plan umgesetzt wird, um die Sicherheit der Frauen und Mädchen zu verbessern und geschlechterbasierte Gewalt anzusprechen. Die internationale Gemeinschaft muss den haitianischen Staat angesichts seiner begrenzten Kapazitäten hierbei unterstützen.

Den 30-seitigen Bericht findet Ihr im Downloadbereich unserer Homepage hier.

Sowohl in englisch, als auch in einer inoffiziellen deutschen Übersetzung.

Eine Pressemitteilung auf Deutsch findet Ihr hier .

Einen Videoclip zum Bericht findet Ihr in unserem News-Bereich.